Verhaltensstörungen erkennen, vorbeugen behandeln

erschienen am 17.01.2002

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(Mit freundlicher Untertüzung des Magazins Pferdezucht und Haltung aus dem Verlag AVA Verlag, 87437 Kempten. http://www.pferde-zucht-haltung.de ) Verhaltensstörungen erkennen, vorbeugen und behandeln Dr. Margit H. Zeitler-Feicht, Lehrgebiet für Tierhaltung und Verhaltenskunde, Technische Universität München Fingerspitzengefühl und Sachverstand sind notwendig, will man mit verhaltensgestörten Pferden richtig umgehen. Entsprechend wichtig ist es, Verhaltensstörungen vorzubeugen. Früher bezeichnete man alle Formen von Verhaltensauffälligkeiten beim Pferd als Untugenden. Dieser Begriff wird auch heute noch oft verwendet. Er unterstellt jedoch, dass das Pferd an diesem Verhalten selbst schuld ist - »das Pferd hat eine Untugend« -, was zu völlig falschen Gedankenansätzen hinsichtlich Ursachen, Therapie und Prophylaxe verleitet. Heute weiß man, dass ein Großteil dieser Verhaltensweisen auf Fehler, die vom Menschen bezüglich Haltung, Umgang und Management gemacht werden, zurückzuführen ist. In Hinblick auf den derzeitigen Kenntnisstand sollte man deshalb die Bezeichnung Untugend durch wertneutrale Begriffe wie Verhaltensstörung und unerwünschtes Verhalten ersetzen. Warum muss man zwischen diesen beiden Begriffen unterscheiden? Hierfür gibt es folgende Gründe: Für Verhaltensstörung und unerwünschtes Verhalten bestehen zum Teil • unterschiedliche disponierende Faktoren und Ursachen, ' • unterschiedliche psychische und physiologische Auswirkungen, • unterschiedliche Behandlungsmethoden, • unterschiedliche Therapiechancen. Während viele Verhaltensstörungen residual-reaktiv sind, das heißt trotz Beseitigung der Mängel bestehen bleiben, gibt es für unerwünschte Verhaltensweisen bessere Heilungsaussichten. Sie lassen sich bei fachgerechter Durchführung in der Regel korrigieren. Einen eingefleischten Kopper kann man dagegen auch noch auf der besten Weide beim Koppen beobachten. Wann normal, wann gestört? Um Verhaltensstörung definieren zu können, muss man zunächst das Normalverhalten der Pferde kennen. Unter Normalverhalten versteht man alle Verhaltensweisen, die ein Pferd unter natürlichen Lebensbedingungen in freier Wildbahn zeigt. Die Verhaltensstörung ist hingegen ein Verhalten, das in Hinblick auf Modalität (Art und Weise), Intensität und Frequenz (Häufigkeit) erheblich und andauernd vom Normalverhalten abweicht. Unter diese Definition fallen fünf verschiedene Kategorien von Verhaltensstörungen: 1. Symptomatische Verhaltensstörungen 2. Organpathologische Verhaltensstörungen 3. Domestikationsbedingte Verhaltensstörungen 4. Mangelbedingte Verhaltensstörungen 5. Haltungs- und umgangsbedingte Verhaltensstörungen Zentrale Bedeutung haben die Verhaltensstörungen der Kategorie fünf. Es sind die so genannten reaktiven Verhaltensstörungen, die durch unzulängliche Haltungsbedingungen und durch nicht tiergerechten Umgang hervorgerufen werden. Für sie besteht auch eine gewisse Tierschutzrelevanz, denn sie reflektieren vorangegangene bzw. noch bestehende Leiden. Ein gestörtes Verhalten, das ein Pferd einhergehend mit Infektionen, Verletzungen, Veränderungen des Nervensystems oder des endokrinen Systems, bei Mangelerscheinungen zeigt, ist vom Tierarzt zu diagnostizieren und entsprechend zu behandeln. Erst wenn Verhaltensstörungen der Kategorie eins bis vier auszuschließen sind, kann von einer haltungs- und umgangsbedingten Verhaltensstörung gesprochen werden. Die Mehrzahl aller Pferde leidet unter umgangsbedingten Verhaltensstörungen. Sie sind bestimmten Funktionskreisen zugeordnet wie z.B. das Koppen, Zungenspiel und stereotype Belecken von Gegenständen dem Funktionskreis Fressverhalten. Diese Zuordnung erfolgt lediglich aus didaktischen Gründen. Sie bezieht sich ausschließlich auf die Ausführung (Manipulationen mit dem Maul) und nicht auf die Entstehung der Verhaltensweise. Gründe für Barrenwetzen Barrenwetzen kann einerseits eine Verhaltensstörung sein, andererseits auch ein unerwünschtes Verhalten in Form von Aufmerksamkeit forderndem Verhalten. Schließlich kann es auch als Übersprungshandlung im Konflikt zwischen zwei Handlungsbereitschaften auftreten. Die Unterscheidung ist mitunter nicht einfach. Erst durch genaue Beobachtung der Umstände, in welchen das Verhalten gezeigt wird, kann man erkennen, ob eine eigenständige Verhaltensstörung oder ein unerwünschtes Verhalten vorliegt. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist dabei die Stereotypie. Verhaltensstörungen laufen häufig über einen längeren Zeitraum gleichförmig ab, das heißt das gezeigte Verhaltensmuster wiederholt sich über einen längeren Zeitraum nahezu identisch. Das ist bei unerwünschtem Verhalten nicht in diesem Ausmaß der Fall. Nicht jedes Verhalten das vom Normalverhalten erheblich und andauernd abweicht, muss zwangsläufig eine Verhaltensstörung sein. Abnormales Verhalten kann in einer bestimmten Umwelt zweckmäßig sein und eine erfolgreiche Anpassung an die veränderten Lebensbedingungen unter menschlicher Obhut darstellen. Dazu zählt beispielsweise das häufige Dösen von Stallpferden. Ihre Döszeiten sind »notgedrungen« nicht selten doppelt so lang wie die von Pferden unter natürlichen Lebensbedingungen. Unter einem anderen Blickwinkel betrachtet, kann man auch einige Verhaltensstörungen als eine Art Anpassungsstrategie ansehen. So weisen neuere Forschungsbefunde darauf hin, dass es sowohl beim Menschen als auch beim Tier während der Durchführung bestimmter Verhaltensstörungen zu einem Erregungsabbau oder zu einer Filterung gegenüber Außenreize kommen kann. Die physiologischen Parameter deuten darauf hin, dass der Organismus versucht, sich an widrige Situationen anzupassen, was im englischen Sprachgebrauch als »coping« bezeichnet wird. Es ist denkbar, dass der Coping-Mechanismus dem Tier zumindest kurzfristig einen Vorteil bringt, da es dadurch die unzulänglichen Lebensbedingungen besser ertragen kann. Unerwünschtes Verhalten muss wegen der bereits eingangs genannten Gründe von den Verhaltensstörungen abgegrenzt werden. Es handelt sich dabei um Verhaltensweisen, die Bestandteil des natürlichen Verhaltensinventars der Pferde sind und ihrem Normalverhalten im weiteren Sinne entsprechen. Sie erschweren aber dem Menschen den Umgang und die Nutzung. Als Beispiel sei das Abwehrverhalten beim Verladen genannt. Es ist ein ganz normales Verhalten, dass das ehemalige Steppentier Pferd eine »dunkle Höhle« - in diesem Falle einen Transporter - ohne jede Fluchtmöglichkeit nicht freiwillig betritt und sich, wenn es nicht ausreichend mit dem Menschen und dem Transporter vertraut ist, vehement dagegen wehrt. Ebenso verhält es sich beim Durchgehen oder Scheuen. Auch diese beiden Verhaltensweisen entsprechen dem Normalverhalten. Pferde sind Fluchttiere. Schreckhaft zu sein und zu fliehen ist für sie natürlich und war im Laufe der Evolution überlebensnotwendig. In Abbildung zwei sind einige unerwünschte Verhaltensweisen aufgelistet. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass einige Verhaltensauf- fälligkeiten nicht nur als unerwünschtes Verhalten auftreten, sondern auch eine Verhaltensstörung sein können. Das ist immer dann der Fall, wenn sie erheblich und andau- ernd vom Normalverhalten abweichen und Ursachen wie Schmerz, Angst, konditioniertes Verhalten oder Rangordnungsprobleme auszuschließen sind. Wie Verhaltensstörungen entstehen: In vielen Fällen lassen sich einschneidende Ereignisse im negativen Sinne mit dem erstmaligen Auftreten einer Verhaltensstörung in Zusammenhang bringen. Man spricht deshalb auch von einem »Initialtrauma«. Im Vordergrund stehen: Eine nicht zu unterschätzende Gefahr für soziale Fehlentwicklung besteht, wenn ein Fohlen nur mit der Mutter und ohne weitere Artgenossen aufgezogen wird. • zu frühes oder plötzliches Absetzen von der Mutterstute, • abrupter Trainingsbeginn, •zu harte Ausbildungsmethoden, •psychische und physische Überforderung im Training, • krankheitsbedingte Boxenruhe, verbunden mit sozialer Isolation und • Stallwechsel in Hinblick auf eine Verschlechterung. Das ist beispiels- weise der Fall, wenn ein Fohlen unter weitgehend natürlichen Lebensbedingungen in einer Jungpferdeaufzucht großgezogen wurde und dann • von heute auf morgen - zur Ausbildung in eine Einzelhaltung kommt, wo die vertrauten Artgenossen fehlen, kein engerer Sozialkontakt geschweige denn gemeinsamer Weidegang mit anderen Pferden möglich ist, es 23 Stunden in einer Box steht und lediglich zu Ausbildungszwecken herausgenommen wird. Sicherlich sind in der Praxis die Mehrzahl der Pferde mindestens einmal in ihrem Leben einem solchen Initialtrauma ausgesetzt. Aber bei weitem nicht alle Tiere reagieren darauf mit einer Verhaltensstörung. Was ist also im Vorfeld noch von Bedeutung? In wissenschaftlichen Studien konnte nachgewiesen werden, dass sogenannte prädisponierende Faktoren für das Auftreten von Verhaltensstörungen mitverantwortlich sind. Dabei spielen die Haltung, der Umgang sowie genetische Einflüsse eine besondere Rolle. Mängel in der Haltung sind bei der Entstehung von Verhaltensstörungen an erster Stelle zu nennen. Umfangreiche Untersuchungen in Kanada, Italien, England, Deutschland und Schweden belegen übereinstimmend, dass besonders viele Verhaltensstörungen in Ställen auftreten, in denen die Haltungsbedingungen die artspezifischen Bedürfnisse der Pferde nur unzureichend befriedigen. Welche Haltungsfehler zählen dazu? Die Beantwortung dieser Frage erfolgt nachfolgend in Form einer Gegenüberstellung, und zwar werden die pferdespezifischen Verhaltensbedürfnisse den Gegebenheiten und möglichen Fehlern in der heute üblichen Praxis gegenübergestellt. • Fressverhalten Arttypisch für Pferde ist, etwa 15 Stunden, über den 24-Stunden-Tag verteilt, Futter aufzunehmen. Pferde haben demnach ein täglich vielstündiges Fressbedürfnis. In der Praxis wird die Bedeutung dieses elementaren Bedürfnisses in der Regel unterschätzt. Die Pferde werden rationiert gefüttert, wobei ein Großteil des Raufutters durch Kraftfutter ersetzt wird. Arbeitstechnische Gründe dürften hierfür maß- gebend sein, aber auch Gesundheitsprobleme der Pferde (Stauballergiker) und Schönheitsprobleme (Strohbauch) spielen eine Rolle. Die Folge ist, dass Pferde bei strohloser Haltung mit rationierter Heuzuteilung statt täglich 15 Stunden nur etwa vier bis fünf Stunden Nahrung aufnehmen können. Eine solch drastische Reduzierung der Fresszeit führt zu einer Nichtbefriedigung des Fress-, Kau- und Beschäftigungsbedürfnisses und ist maßgeblich an der Genese von Verhaltensstörungen beteiligt. • Bewegungsverhalten Unter naturnahen Bedingungen bewegen sich Pferde täglich bis zu 16 Stunden überwiegend im Schritt grasend vorwärts. Die dabei zurückgelegte Wegstrecke beträgt etwa 4 bis 10 km. Pferde haben demnach ein täglich vielstündiges Bewegungsbedürfnis und dies vor allem im Schritt. Die ganztägige Stallhaltung in Boxen ist bei uns nach wie vor weit verbreitet. Unter diesen Bedingungen verbringt das Pferd nicht selten bis zu 23 Stunden am Tag überwiegend mit Stehen. Eine derart bewegungsarme Aufstallungsform steht im krassen Widerspruch zum angeborenen Bewegungsbedürfnis der Pferde. Auch durch die täglich einstündige Nutzung als Reit- und Fahrpferd kann das Bewegungsdefizit nicht kompensiert werden. Bewegungsmangel ist maßgeblich an der Entstehung von Verhaltensstörungen beteiligt. • Sozialverhalten Pferde als Herdentiere haben das angeborene Bedürfnis mit Artgenossen im Sozialverband zusammenzuleben. Sie brauchen somit Sozialkontakt und eine Rangzuweisung, um sich sicher, beschützt und wohl zu fühlen. In der heute immer noch häufig anzutreffenden Haltung in Einzelboxen mit rundum geschlossenem Aufsatzgitter aus Senkrechtstäben ist der Sozialkontakt zwischen den Pferden sehr stark eingeschränkt. Noch extremer sind Boxen mit geschlossenen Trennwänden. Besteht dabei keine Möglichkeit zum gemeinsamen Koppel- oder Weidegang, wird das angeborene Bedürfnis nach Sozialkontakt mit Sicherheit nicht in ausreichendem Maße befriedigt. Eine Haltung mit eingeschränktem Sicht-, Geruchs- und Hörkontakt zu Artgenossen disponiert im besonderen Maß zu Verhaltensstörungen. • Neugierde- und Feindvermeidungsverhalten Pferde als Fluchttiere sind ständig bereit, Umweltreize aufzunehmen. Nur wenn sie ihre Umgebung beobachten und einschätzen können, fühlen sie sich sicher und wohl. Die übliche Einzelhaltung in geschlossenen Innenboxen führt mit ihrer kargen Ausstattung zwangsläufig zu Reizverarmung. Durch die stark eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten zur Umwelt sind insbesondere sensible Pferde ständig »auf der Hut«. Fehlende Entspannung und Übererregung sind die Folge. Eine derartige psychische Belastung hat als Prädisposition für Verhaltensstörungen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. • Fortpflanzungsverhalten Unter natürlichen Lebensbedingungen zeigen Pferde ein sehr komplexes Paarungsverhalten, wobei sie ausreichend Zeit und Raum für den Signalaustausch benötigen. Das oft mehrstündige Paarungsvorspiel führt zur Vertrautheit der Tiere, was unter anderem Voraussetzung für eine erfolgreiche Paarung ist. Beim »Sprung aus der Hand« wird die Paarung oft auf wenige Minuten beschränkt und die natürlichen Verhaltensweisen können von den Pferden nur noch stark reduziert gezeigt werden. Doch die Nichtbeachtung essentieller Verhaltensmuster während der Paarung kann Probleme im Sexualverhalten zur Folge haben. Übersteigerte Aggressivität bei Hengsten oder massives Abwehrverhalten der Stute gegenüber dem Hengst trotz Hochrosse stehen hiermit in Zusammenhang. • Mutter-Kind-Verhalten Unter naturnahen Bedingungen besteht der enge Mutter-Kind-Kontakt so lange, bis das nächste Fohlen geboren wird. Während dieser Zeitspanne erfolgt eine kontinuierliche Loslösung des Fohlens von der Mutter. Bis zum Zeitpunkt des natürlichen Absetzens hat es genügend andere Artgenossen als engere Sozialpartner gefunden, die die Mutter ersetzen können. In der Praxis wird die Bedeutung dieses natürlichen Ablösungsprozesses für die weitere Entwicklung des Fohlens häufig unterschätzt. Es ist üblich Fohlen bereits im Alter von sechs Monaten von der Mutter abzusetzen. Erfolgt dies zudem abrupt und besteht kein Kontakt zu bekannten Artgenossen oder wird das Fohlen aus der vertrauten Umgebung herausgerissen, kann das Absetzen für das Fohlen zu einer starken psychischen Belastung werden. Derartige Praktiken haben eine besondere Bedeutung als potentielle Ursache für die Entstehung von Verhaltensstörungen. Fehler im Umgang Neben Haltungsmängeln sind Fehler im Umgang, bei der Ausbildung und im Training maßgeblich an der Entstehung von Verhaltensstörungen beteiligt. An erster Stelle sind physische wie psychische Überforderung, Unkenntnis über das Lernverhalten, von Pferden sowie harte Umgangsmethoden zu nennen. Derartige Praktiken führen für das Pferd zu unlösbaren Konfliktsituationen und zu Stress. In kanadischen Studien konnte dieser Sachverhalt bestätigt werden. Es wurde festgestellt, dass intensiv gearbeitete Pferde wie Dressur- und Rennpferde deutlich häufiger zu Verhaltensstörungen neigen als Pferde, die auf Ausdauer trainiert werden. Genetische Disposition Des Weiteren gibt es für Verhaltensstörungen Hinweise für eine genetische Disposition in Form eines rezessiven Erbgangs. So stellte man bereits 1986 fest, dass bei Pferden das Vorkommen stereotyper Verhaltensstörungen in bestimmten Familien deutlich erhöht sein kann. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass in gewissen Hengstlinien bis zu 30 Prozent der Pferde Kopper waren, während der Anteil koppender Pferde an der untersuchten Population von etwa tausend Tieren bei lediglich 2,4 Prozent lag. Ähnliche Werte erhielt man für die Verhaltensstörungen Weben und Boxenlaufen. Noch eindeutiger war der Befund einer Studie, die weltweit an Przewalski-Pferden in zahlreichen Zoos durchgeführt wurde. In bestimmten Linien zeigten bis zu 67 Prozent der Tiere Verhaltensstörungen im Vergleich zu acht Prozent in der Gesamtpopulation. Dieser Befund soll aber nicht bedeuten, dass Verhaltensstörungen eine Erberkrankung im klassischen Sinne sind. Vererbt wird lediglich die Disposition für die Entwicklung einer Verhaltensstörung. Das hat zur Folge, dass in bestimmten Familien vermehrt Tiere besonders empfindlich auf Belastungssituationen reagieren und deshalb besonders zu Verhaltensstörungen neigen. Im allgemeinen sind außerdem »hoch im Blut stehende« Pferde stärker von Verhaltensstörungen betroffen, da sie unter Belastung schneller zu Übererregung neigen als schwere Schläge. So sind Verhaltensstörungen häufiger bei Vollblütern, Arabern oder stark veredelten Rassen zu beobachten, weniger dagegen bei Kaltblütern und Ponys. Kann man Verhaltensstörungen vorbeugen? Die Antwort darauf heißt: ja - in vielerlei Hinsicht! Eine wirkungsvolle Prophylaxe bezieht sich dabei auf drei Schwerpunkte: Haltung, Umgang und Zucht. Um Verhaltensstörungen vorzubeugen, muss die Haltung die pferdespezifischen Anforderungen so gut wie möglich befriedigen. Optimal ist die ganzjährige Weidehaltung mit Unterstand. In diesen Genuss gelangen jedoch nur wenige Reit- und Fahrpferde. Ansonsten kommt der Offenlaufstall den Anforderungen am nächsten. Er bietet uneingeschränkten Sozialkontakt, freie Bewegung sowie die Möglichkeit zum Spielen, Erkunden und wahlweiser Aufenthalt unter natürlichen Klimabedingungen, allerdings unter relativ beschränktem Raumangebot. Um Stresssituationen und Benachteiligungen, insbesondere von rangniederen Tieren, zu vermeiden, sind folgende Voraussetzungen vom Betriebsleiter zu erfüllen: • Spezielle Fachkenntnisse im Pferdeverhalten • Richtiges Management (Gruppenzusammenstellung, Neueingliederung von Pferden, Fütterung) • Ausreichend groß konzipierte Anlage ohne Sackgassen oder Engpässe. Wird diesen Bedingungen entsprochen, ist der Offenlaufstall ein empfehlenswertes Haltungssystem . zur Prophylaxe von Verhaltensproblemen. Pferde aller Rassen und Nutzungsrichtungen können unter diesen Gegebenheiten im Offenlaufstall gehalten werden. Ausgenommen sind jedoch Stallungen mit einer hohen Fluktuation im Tierbestand sowie Verkaufs- und Ausstellungsbetriebe. Bei der Einzelhaltung werden die pferdespezifischen Bedürfnisse noch am ehesten in der Box mit Paddock befriedigt. Diese Haltungsform eignet sich für Pferde aller Rassen und Nutzungsrichtungen, die nicht in der Gruppe gehalten werden sollen oder können. Auch andere Haltungsformen wie die Außenbox oder offen und hell gestaltete Innenboxen, die eine gute Beobachtung ihrer Umgebung erlauben, können den Anforderungen gerecht werden. Voraussetzung ist allerdings, dass Defizite im .sozialen Bereich und im Bewegungsangebot über täglich mehrstündige gemeinsame Auslaufhaltung, am besten verbunden mit Weidegang, ausgeglichen werden. Wie bereits erwähnt, reicht die täglich einstündige Nutzung als Reit-, Renn- oder Fahrpferd nicht aus, um den Bewegungsbedarf der Pferde sicherzustellen und ihr Bewegungsbedürfnis zu befriedigen. Der tägliche Bewegungsbedarf der Pferde wird nur bei ganztägiger Weidehaltung oder im Offenlaufstall mit getrennten Funktionsbereichen (Mehrraumlaufstall) gedeckt. So wurde nachgewiesen, dass in einer solchen Anlage Haflinger durchschnittlich 4.8 km je Tag zurücklegten, wodurch ein Großteil ihres täglichen Bewegungsbedarfs abgedeckt wurde. In allen anderen Haltungssystemen ist dies nicht der Fall. Derart gehaltenen Pferden sollten daher täglich zusätzlich zur Nutzung weitere Bewegungsmöglichkeiten angeboten werden wie zum Beispiel mehrstündiger Weidegang, Bewegung an der Führanlage bzw. auf dem Laufband oder ruhige Schrittausritte über eine Reitbeteiligung oder als Handpferd. Haltung von Zuchtpferden Um Verhaltensstörungen und Fruchtbarkeitsproblemen vorzubeugen, benötigen Zuchtstuten mit oder ohne Fohlen täglich Weidegang oder zumindest Auslauf im Herdenverband. So steht beispielsweise aggressives Verhalten gegenüber dem Fohlen wie Treten nach dem noch liegenden Neugeborenen in Zusammenhang mit einem Mangel an Erfahrung, bedingt durch den fehlenden Kontakt zu anderen Zuchtstuten mit Fohlen. Erwachsene Hengste, insbesondere Deckhengste, werden oft stark isoliert ohne Möglichkeit zum Koppelgang mit Artgenossen gehalten. Sie zeigen deshalb auch besonders viele Verhaltensauffälligkeiten. Gewöhnt man sie während der Aufzucht bereits an Gruppenhaltung, lassen auch sie sich, insbesondere außerhalb der Decksaison, durchaus in Gruppen halten. Hierfür sind allerdings entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Dazu zählen neben den weiter oben angeführten allgemeinen Voraussetzungen für eine Gruppenhaltung unter anderem: • kein Sicht-, Geruchs- und Hörkontakt zu Stuten, • größtmögliche Abmessungen. Die Zusammengewöhnung von Hengsten bzw. von Hengst und Wallach geht einfacher vonstatten, wenn man sie dazu auf eine große Weide gibt. Die Motivation, saftiges Gras zu fressen, ist dann oftmals größer als das Bedürfnis nach massiven Rangkämpfen. In der Einzelhaltung empfiehlt sich für Hengste die Aufstallung in einer Außenbox mit Pad-dock und angeschlossener Weide. Bei besonders unverträglichen Tieren hat sich bewährt, den jeweils benachbarten Paddock bzw. die angrenzende Weide frei zu halten. Für Hengste, die nicht zur Zucht eingesetzt werden und nicht in eine artgerechte Haltung integriert werden können, sollte man die Kastration in Erwägung ziehen. Dieser Eingriff ist zwar mit Auswirkungen auf das Verhalten verbunden, dennoch dürfte diese Maßnahme aus tierschützerischen Gesichtspunkten zur Prophylaxe von Verhaltensproblemen durchaus gerechtfertigt sein. In den meisten Fällen kann ein solches Tier erst nach der Kastration ein einigermaßen artgerechtes Leben führen. Eingeschränkter Sichtkontakt und Beschäftigungsmangel führen zu Reizverarmung. Mögliche Folgen sind fehlende Entspannung und Übererregung. Haltung von Fohlen und Jungpferden Fehler, die während der Aufzucht gemacht werden, prägen sich besonders tief ein. Die Prophylaxe beginnt deshalb bereits bei der Geburt. So können Störungen während der sensiblen Phase die Mutter-Kind-Bindung beeinträchtigen und im Extremfall eine Fehlprägung beim Fohlen auslösen. Deshalb sollte die Stute in einer ungestörten Umgebung abfohlen und der Mensch seine Hilfeleistungen auf das medizinisch notwendige Minimum beschränken. Eine intensivere Kontaktaufnahme zu dem Fohlen sollte erst nach Beendigung der Prägephase erfolgen. Das Risiko für eine soziale Fehlentwicklung ist bei verwaisten Jungtieren besonders groß. Um eine zu starke Prägung auf den Menschen zu verhindern, sollte man solche Fohlen schnellstmöglich einer Ammenstute zuführen. Ist dies nicht möglich, muss das Fohlen von Hand aufgezogen werden, wobei sehr darauf zu achten ist, dass der Bezug zum Menschen nicht zu stark wird. Besser als die Flasche sind deshalb Tränkeimer mit Sauger oder Tränkautomaten wie man sie in der Kälberhaltung verwendet. Zusätzlich muss das verwaiste Fohlen engen Kontakt zu anderen Pferden haben, um eine möglichst störungsfreie Sozialisierung zu gewährleisten. Ältere Wallache übernehmen- dabei gerne den Job des »Onkels«. Erfahrungen, die Fohlen beim und nach dem Absetzen machen, wirken sich besonders gravierend auf ihre weitere Entwicklung aus. Deshalb sollte das Absetzen so gut wie möglich dem natürlichen Loslösungsprozess des Fohlens von der Mutter angepasst werden. Ein stressfreies Absetzen wird erreicht durch: • Aufzucht des Fohlens in einer Herde, •Trennungsübungen von Stute und Fohlen, • Gemeinsames Absetzen mit »Freunden«, • Verbleib des Fohlens in der vertrauten Umgebung. Viele Verhaltensprobleme, besonders im sozialen Bereich, lassen sich vermeiden, wenn Fohlen und Jungpferde in der Gruppe gehalten werden und ihnen täglich mehrstündig - am besten Tag und Nacht - Auslauf gewährt wird. Diese Forderung wird auch in den Leitlinien zur Pferdehaltung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erhoben. Danach ist für Fohlen und Jungpferde eine Haltung in Gruppen mit täglichem Auslauf oder Weidegang sicherzustellen. Im Anschluss an eine derartige Aufzuchtphase muss die Umstellung in ein neues Haltungssystem so schonend wie möglich gestaltet werden. Das Jungtier sollte in der noch fremden Umgebung zumindest die Möglichkeit haben, neue engere soziale Kontakte aufzubauen, am besten bei täglichem Weidegang mit anderen Pferden. Bedarfs- und verhaltensgerecht füttern Viele Verhaltensprobleme lassen sich vermeiden, wenn die Fütterung nicht nur bedarfsgerecht, sondern auch verhaltensgerecht ist. Das bedeutet, dass den Pferden die Möglichkeit gegeben wird, etwa 60 bis 70 Prozent des 24-Stunden-Tages Nahrung aufzunehmen. Nicht pferdegerecht sind zu kurze Fresszeiten. Sie führen zu: • einer Nichtbefriedigung des Fressbedürfnisses, • einem Beschäftigungsmangel, • und einer vermehrten Neigung zu Übererregung. Letzteres ist darauf zurückzuführen, dass bei ganztägiger Stallhaltung mit rationierter Fütterung der Futterwagen das große Ereignis des Tages ist. Er wird dadurch zum Auslöser zahlreicher Verhaltensprobleme wie Weben, Gitterstäbewetzen, Boxenschlagen usw. Als Prophylaxe sind lange Fresszeiten von mindestens zwölf Stunden je Tag zu empfehlen. Raufutter sollte am besten den Pferden ad libitum über den 24-Stunden-Tag zur Verfügung stehen. Lange Fresszeiten erreicht man beispielsweise über folgende Maßnahmen: • Reduzierung des Kraftfutteranteils zugunsten des Raufutters oder der Weide • Vermischen von schmackhaftem und weniger schmackhaftem Futter • Einsatz von Sparraufen zur Fresszeitverlängerung, • entsprechendes Weidemanagement (Portionsweiden). Eine solche Fütterung lässt sich bedarfsgerecht gestalten und befriedigt gleichzeitig das angeborene Fressbedürfnis. Zudem bietet sie Beschäftigung und hilft Übererregung abzubauen. Letzteres ist mit die wichtigste Maßnahme, um das Auftreten von bereits vorhandenen Verhaltensstörungen zu reduzieren. Für den Erregungsabbau bei der Kraftfuttergabe empfiehlt es sich, die Kraftfutterration in möglichst vielen, kleinen Gaben über den Tag verteilt zu verabreichen. Aus arbeitstechnischen Gründen bieten sich hier moderne Vorrichtungen an wie die Computergestützten Kraftfutterabrufautomaten für die Gruppenhaltung. Sie ermöglichen eine Verteilung der täglichen Kraftfuttergabe über den 24-Stunden-Tag in kleine Portionen, wie es dem natürlichen Fressrhythmus der Pferde entspricht. Daraus ergeben sich zum einen ernährungsphysiologische Vorteile. Zum anderen wird den Pferden dadurch ein wichtiger Bewegungsanreiz und somit auch Beschäftigung geboten. Ein Erregungsanstieg, wie er bei der Kraftfuttergabe »von Hand« zu beobachten ist, entfällt bzw. ist deutlich vermindert. In der Einzelhaltung kann die Fütterung durch Verwendung von Kraftfutterdosierautomaten so gestaltet werden, dass mehrere kleine Portionen über den Tag verteilt angeboten werden. In Hinblick auf das Pferdeverhalten sind dabei synchron arbeitenden Automaten, bei denen alle Tiere gleichzeitig ihr Kraftfutter erhalten, den asynchronen Systemen, wo die Zuteilung des Kraftfutters nacheinander erfolgt, vorzuziehen. Richtig mit Pferden umgehen Ein weiterer Schwerpunkt bei der Vorbeuge von Verhaltensstörungen ist ein tiergerechter Umgang. Dieser beruht darauf, dass physische wie psychische Überforderung sowie harte Umgangsmethoden, die für das Pferd mit Angst und Stress verbunden sind, vermieden werden. Wesentliche Voraussetzung für einen tiergerechten Umgang ist, dass man das angeborene arttypische Verhalten von Pferden berücksichtigt und die Ausbildung individuell auf das jeweilige Tier abstimmt. Dabei sind der körperliche Reifegrad, der Charakter bzw. das Maß an Sensibilität, die Lernfähigkeit und die körperliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Worauf sollte man bei einem pferdegerechten Umgang insbesondere achten? Schreckhaft zu sein ist eine typische Reaktion von Fluchttieren und ist für Pferde natürlich. Der Schwerpunkt eines pferdegerechten Umgangs besteht daher darin, dieses Verhalten zu berücksichtigen und dem Pferd die Angst zu nehmen. Dazu benötigt es eine eindeutige Rangzuweisung, gepaart mit Vertrauen zum »Sozialpartner«- Mensch. Man erreicht Vertrauen zum einen durch spezielle Zuwendungen. Besondere Bedeutung kommt.» dabei dem Putzen zu, da der Mensch die Funktion des Sozialpartners bei der gegenseitigen Körperpflege übernimmt. Zum anderen wird Vertrauen während der täglichen Arbeit aufgebaut. Dazu sind die Ausbildungsschritte so klein zu halten, dass sie stets mit einem erfolgreichen Abschluss verbunden sind, der dann belohnt wird. Auf diese Weise erhält man ein Pferd, das den Menschen als ein Lebewesen erkennt, gegenüber dem es" keine Angst zu haben braucht und in dessen Gegenwart e sich auch in bedrohlichen Situationen sicher und beschützt fühlt. Um dem Pferd Schutz zu geben, muss der Mensch außerdem die ranghöhere Position einnehmen. Dazu benötigt er Einfühlungsvermögen zum Pferd, ein entsprechendes Fachwissen und möglichst viel Erfahrung sowie Konsequenz und Bestimmtheit im Umgang. Falsch sind Schläge, denn sie führen beim Pferd nicht zu Unterordnung, sondern zu Angst oder zu Aggression. Wird jedoch das Dominanzverhältnis basierend auf Vertrauen frühzeitig geklärt, akzeptiert das Pferd seine unterlegene Position und verhält sich entsprechend. Dadurch wird nicht nur der Umgang mit dem Tier erleichtert, sondern auch dem Pferd Sicherheit und Schutz vermittelt. Eine wesentliche Voraussetzung für einen tiergerechten Umgang ist die Kenntnis der dem Tier möglichen Lernvorgänge. Pferde lernen über Gewöhnung, Operante und klassische Konditionierung, Nachahmung und Prägung. Zu kognitivem Lernen, das wir Menschen bestens beherrschen, sind sie nicht bzw. nur ausnahmsweise befähigt. Deshalb ist im Umgang mit Tieren grundsätzlich zu beachten, dass diese nicht die Fähigkeit haben, ein Schüler im menschlichen Sinne zu sein. Das ist vielen Pferdehaltern nur wenig bewusst. Gerade die Lernprozesse, die dem Menschen leicht erscheinen, stellen Tiere oft vor unlösbare Probleme. So kann das Pferd, wenn es etwas Neues lernen soll, nicht wie der Mensch Ereignisse verknüpfen, die zeitlich auseinander liegen. Es kann nur dann eine Verbindung herstellen, wenn die positive oder negative Erfahrung unmittelbar der Tat zugeordnet ist. Das heißt nur wenn Lob oder Strafe zeitlich - und zwar im Sekundenbereich - mit der Aktion koordiniert sind, versteht das Pferd die Bewertung seitens des Menschen. Dabei ist es wichtig. Richtigmachen zu belohnen. Ansonsten weiß das Pferd nicht wie es seine Aktion zu werten hat. Es ist leider im Umgang mit Pferden üblich, dass die richtige Tat lediglich mit dem Weglassen von Strafe »belohnt« wird. In diesem Fall kann das Pferd aber nicht abschätzen, welche Art der Leistung der Mensch für gut hält. Belohnungen lassen das Pferd nicht nur verstehen was man von ihm möchte, sie fördern auch die positive Tier-Mensch-Beziehung und sind zusätzlich motivationssteigernd. Die am besten verstandene Belohnung sind für Pferde Leckerbissen. Genauso kann man aber auch über die Stimme, über Mähnekraulen oder über »Zügel aus der Hand kauen lassen« bzw. Entspannung ein Pferd belohnen. Überforderung vermeiden! Um psychischen Stress zu vermeiden, sollte man weiterhin beachten, dass Pferde sich nur für eine gewisse Zeit konzentrieren können. Die Dauer ist individuell verschieden und hängt vom Alter, Entwicklungsstand, Charakter und der geforderten Übung ab. Erfahrungsgemäß können sich junge Pferde maximal zehn, erwachsene Tiere maximal 20 Minuten am Stück konzentrieren. Eine Überforderung ist deshalb vorprogrammiert, wenn man sein Pferd ohne Entspannungsphase eine Stunde lang dressurmäßig »zwiebelt«. Eine tiergerechte Ausbildung berücksichtigt individuell auf das Pferd abgestimmt die jeweilige maximale Konzentrationsdauer und vermeidet dadurch psychische Überbelastung. Zur Vorbeuge von Verhaltensstörungen dürfen prophylaktische Maßnahmen bei der Auswahl von Zuchttieren nicht außer acht gelassen werden, denn die Hinweise bezüglich einer genetischen Disposition verdichten sich in den letzten Jahren für manche Verhaltensstörung wie Koppen und übermäßige Aggressivität. So stellte man fest, dass Stuten arabischer Herkunft aus bestimmten Linien deutlich häufiger als andere Pferderassen zu Aggressionen gegenüber dem eigenen Fohlen neigen. Bei den betroffenen Tieren ist das aggressive Verhalten meist schon unmittelbar nach der Geburt zu beobachten, ohne dass äußere Einflüsse dafür verantwortlich gemacht werden können. Es zeigt sich außerdem nicht nur beim Erstgeborenen, sondern auch bei den nachfolgenden Fohlen. Eine Therapie gibt es in diesem Fall nicht. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig entsprechende Maßnahmen in der Pferdezucht sind, um bestimmten Verhaltensproblemen vorzubeugen. Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass Zuchthengste und Zuchtstuten mit einer Verhaltensstörung aus der Zucht ausgeschlossen werden sollten, insbesondere dann, wenn nachweislich verwandte Tiere ebenfalls ein von der Norm abweichendes Verhalten zeigen. Therapie von Störungen Viele Verhaltensstörungen sind re-sidual-raktiv. Das heißt, sie bleiben trotz Beseitigung der ursprünglichen Mängel bestehen. Dennoch sind die Optimierung von Haltung und Umgang die wichtigsten Maßnahmen bei der Therapie einer Verhaltensstörung. Die diesbezüglich entsprechenden Empfehlungen wurden bereits bei der Prophylaxe von Verhaltensstörungen gegeben. Dabei zeigen Praxiserfahrungen, dass Koppen in der Regel auch unter optimierten Bedingungen bestehen bleibt, während Pferde mit der Verhaltensstörung Weben ihre Stereotypie in einem bewegungsfördernden Haltungssystem (z.B. Mehrraumlaufstall) nicht mehr zeigen. Die üblichen mechanischen Maßnahmen wie Kopperriemen, Anbinden, Aufhängen von Sandsäcken und ähnliches mehr oder auch chirurgische Eingriffe wie die Kopperoperation sind symptomatische Maßnahmen, die lediglich darauf abzielen die Verhaltensstörung zu unterdrücken. Die Motivation, sie auszuführen, bleibt dem Tier jedoch erhalten. Bekanntes Beispiel ist der Aufsetzkopper, der über kurz oder lang zum Freikopper wird, nachdem er am Aufsetzen gehindert wurde. Symptomatische Maßnahmen sind aus Tierschutzgründen abzulehnen, denn man weiß heute, dass eine Verhaltensstörung für das Pferd zu einem Erregungsabbau führen kann. Somit ist die Verhaltensstörung, sobald sie einmal etabliert ist, offenbar mit einem Nutzen für das Pferd verbunden, denn sie hilft dem Tier mit seiner Situation besser fertig zu werden. Symptomatische Maßnahmen sind nur dann vertretbar, wenn sich das Tier bei der Ausübung der Verhaltensstörung selbst massiven Schaden zufügt, wie es beispielsweise bei der Automutilation (Selbstverstümmelung) der Fall ist. Sie müssen aber immer mit einer Verbesserung der Haltungsbedingungen einhergehen. Dieselbe Forderung gilt, falls der Tierarzt eine medikamentöse Therapie empfiehlt. Diese sollte aber nur vorübergehend durchgeführt werden und nur an Tieren, die nachweislich durch die Verhaltensstörung in ihrer Gesundheit beeinträchtigt werden. Fazit Da einmal etablierte Verhaltensstörungen nur sehr schwer zu therapieren sind, kommt der Prophylaxe in den Bereichen Haltung, Umgang und Zucht eine überragende Bedeutung zu. Pferden, die bereits eine Verhaltensstörung haben, sollte man das Umfeld so pferdegerecht wie möglich gestalten, aber keine Maßnahmen ergreifen, um die Verhaltensstörung zu unterbinden.
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