Pferdekauf ohne Risiko?

erschienen am 01.07.1999

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Pferdekauf ohne Risiko? Hippologische und juristische Risiken gibt es beim Kauf eines Pferdes immer. Wer allerdings einige grundlegende Dinge beachtet - und die fangen nicht erst bei der Ankaufsuntersuchung an - kann dieses Risiko minimieren. Hippodrom-Kolumnist und Rechtsanwalt Dr. Eberhard Fellmer kennt das Problem nicht nur vom rechtlichen Standpunkt aus, sondern verbindet nahtlos praktische Ratschläge damit. Unzählige Anfänger und Fortgeschrittene erwerben pro Jahr erstmalig ein eigenes Pferd. Im Pferdekaufgeschäft noch unerfahren, brauchen gerade sie eine fürsorgliche, in jedem Fall aber uneigennützige Beratung; denn die Enttäuschungen, die eine erhebliche Anzahl passionierter und gut veranlagter Reiter, egal welchen Reitstils, erleben, läßt diese sich resigniert vom Reitsport abwenden. Bevor sich ein "Nachwuchsreiter" ein eigenes Pferd in den Stall stellt, sollte er im Unterricht und bei Ausritten erstes Können erworben und seine Veranlagung überprüft haben. Häufig hat er vermutlich temperamentslose, gutmütige, aber abgestumpfte "Verleiher" geritten, vielleicht gelegentlich auch schon das eine oder andere "Privatpferd". Aber wer kann nach einer begrenzten Anzahl von Stunden im Sattel wirklich beurteilen, ob er reif für ein eigenes Pferd ist. Oder vielmehr noch: Wer von diesen Reitern ist schon in der Lage, zu wissen, welches Pferd zu ihm paßt. Das Pferd prägtden Reiter In diesem Stadium der Ausbildung prägt nicht der Reiter das Pferd, sondern das Pferd den Reiter. Verfehlt ist also der Entschluß, ein rohes, ungerittenes Pferd zu erwerben, das noch lernen muß, in Takt und Gleichgewicht zu gehen. Ein Anfänger kann der Remonte diese Grundlagen kaum beibringen, es sei denn, daß er bei überdurchschnittlicher Begabung einen überdurchschnittlichen Ausbilder hat, der sich um die Fortschritte des Schüler-Paares mit entsprechender Verantwortung kümmert. Hinzu kommt, daß der Schüler das nötige Geld haben muß, um ein gutveranlagtes "Zukunfts"- oder Spezialrassenpferd auch bezahlen zu können. Wenn sich der Anfänger jedoch für ein junges Pferd entscheidet, dann muß es unverbildet sein; es sollte - leicht angeritten - direkt vom Züchter oder Aufzüchter erworben werden. Ein junges Pferd aus zweiter oder dritter Hand ist für einen Reiter, der selber noch lernen muß, nicht geeignet, weil meist schon irreparable Ausbildungs- oder "Charakterfehler" das Pferd von Hand zu Hand gehen ließen. Folge: Der Nachwuchsreiter gerät mit einem solchen Pferd in eine Sackgasse der Ausbildung, aus der er schlecht herauskommt. Ideal für einen Ersterwerb ist das schon etwas ältere Pferd, das dem gutreitenden Vorbesitzer in seiner Leistungsfähigkeit nicht mehr genügt, oder das aus anderen persönlichen Umständen verkauft werden muß. Keinesfalls ist es auch ratsam, sich als "Erstling" ein Pferd zuzulegen, das das eigene Können um ein Mehrfaches übersteigt - denn was will ein Reiter, der knapp die Lektionen der Klasse E beherrscht, mit einem Pferd, das sicher in der Klasse M oder S ist. Dies gilt selbstverständlich auch für Reiter anderer Sparten, beispielsweise einem Barockpferd, das Lektionen der klassischen Hohen Schule beherrscht. Nicht von Schönlingen blenden lassen Keinesfalls sollte ein Käufer sich vom äußeren Eindruck eines Pferdes blenden lassen. Wichtiger ist es, einen Kameraden zu erhalten, der charakterlich in Ordnung ist, also weder ängstlich noch bösartig oder überschäumend von Temperament. Lieber ein Pferd mit kleinen Exterieurfehlern, aber unverbildetem Wesen als ein Schönling, mit dem man nie glücklich wird. Wichtig ist es auch zu wissen, wer die Vorbesitzer waren und wie sie mit dem Pferd ausgekommen sind. Es empfiehlt sich, Zeit und Geld für die diskrete Erforschung dieser Information aufzuwenden. Man erkundige sich in diesem Zusammenhang auch nach Schmied und Tierarzt, die das Pferd betreuen - ein Gespräch mit ihnen hat objektivere Aussagekraft als alle Anpreisungen des Verkäufers oder Pflegers. Keine Eile - gute Pferde wachsen immer und überall nach Ein üblicher Verkaufstrick ist die Behauptung, ein anderer Interessent, der sich schon sehr stark engagiert hätte, reise am nächsten Tag an, um mit großer Wahrscheinlichkeit das Geschäft perfekt zu machen. Auf solche Zwänge sollte man sich keinesfalls einlassen. Natürlich kommt es vor, daß ein ansprechendes Pferd vor der Nase weggekauft wird; aber gute Pferde wachsen überall und immer nach. Auktionen sind für den Ersterwerb nicht geeignet, da hier der Kauf in einer Atmosphäre und unter Emotionen stattfindet, von denen sich ein Neuling nicht beeinflussen lassen sollte. Entscheidend ist immer die Beratung durch einen hippologischen Fachmann, der sowohl das Können des Pferdes, als auch das des Reiters gut beurteilen kann. Ein solcher Fachmann sollte für seine Beratung und seinen Aufwand bezahlt werden. Er ist aber dann kein geeigneter Vertrauensmann, wenn er (zusätzlich) vom Verkäufer eine Provision erhält. Über die in manchen Reitbetrieben herrschende Unsitte der dort beschäftigten Reitlehrer, jedes Pferd schlecht zu machen, daß nicht durch oder über ihn gekauft wurde, muß der Käufer sich hinwegsetzen. Notfalls sollte man den Stall wechseln, wenn jenes "Monopol" zu dauernden Mißstimmungen führt. Noch eines sollte man sich beim Pferdekauf merken: Der Verkäufer kennt sein Pferd fast zu 100 %, der Käufer so gut wie überhaupt nicht. Daher wird man in den seltensten Fällen als Käufer das Glück haben, ein Pferd zu erwerben, daß mehr wert ist, als der Verkäufer an Preis verlangt. Der umgekehrte Fall ist die Regel. Die Tricks der unseriösen Händler Leider betätigen sich im Pferdehandel auch Personen, die bei fast jedem Verkaufsgeschäft in erheblichen Konflikt mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch oder sogar mit dem Strafgesetz kommen. Gefälschte Abstammungspapiere, falsche Fohlenbrände oder arglistig verschwiegene entschiedene Körpermängel sind es, mit denen ein unerfahrener Käufer gelegentlich betrogen wird. Andererseits hat der Kauf über den gewerblichen Pferdehandel gewisse Vorzüge, denn ein renommierter Händler wird immer darauf bedacht sein, seine Kundschaft reell zu bedienen. Der Vorteil ist die große Auswahl und die Möglichkeit, das gekaufte Pferd gegen ein anderes einzutauschen, wenn man mit der Neuerwerbung nicht zurechtkommt. (Allerdings: Das Ersatzpferd ist niemals preiswerter als das zurückgenommene. Ob er damit ein besseres Pferd erwirbt, steht dahin). Über einen Händler, den man nicht kennt, maßgebliche Referenzen einzuholen, ist ein Grundsatz, der viel Ärger und manche Prozesse erspart. Allen Käufern ist zu raten, einen schriftlichen Kaufvertrag abzuschließen, der Abzeichen und Abstammung des Pferdes genau beschreibt. Wichtig ist, daß der Käufer vor dem Abschluß das Abstammungspapier und die dort aufgezeichneten Signale genau mit der Identität am Pferd vergleicht. Ein Neuling darf niemals ein Pferd "wie besehen" kaufen, sondern sollte sich Gesundheit und Fehlerfreiheit unter Zeugen zusichern oder schriftlich bestätigen lassen. Dabei genügt es nicht, daß der Verkäufer oder dessen Tierarzt bescheinigt: "Frei von gesetzlichen Fehlern." Es gibt schwerwiegende andere Mängel die nicht unter die Hauptmängel fallen, wegen jener kann man ohnehin innerhalb von 16 Tagen vom Kauf zurücktreten. Zusagen schriftlich fixieren Hauptmängel sind bekanntlich Krankheiten wie Rotz, Dummkoller, Kehlkopffeifen, periodische Augenentzündung, Koppen. Aber ebenso mangelhaft ist ein Pferd, wenn es z.B. an Spat oder Hufrollenentzündung erkrankt ist. Da diese Gesundheitsfehler jedoch nicht von der heute noch geltenden "Kaiserlichen Verordnung über Hauptmängel" erfaßt werden, ist es notwendig, sich die Gesundheit des Pferdes auch in dieser Hinsicht ausdrücklich vom Verkäufer bestätigen zu lassen, da andernfalls ein Rücktritt vom Kaufvertrag nicht mehr möglich ist. Auch wenn der Käufer Wert auf besondere Eigenschaften des Pferdes legt, sollte das im Kaufvertrag fixiert werden. Zum Beispiel: "Der Wallach springt in und über Wasser". Dies ist wichtig, wenn beim Ausprobieren keinerlei Möglichkeit für einen Wassersprung bestand. Wenn der Erwerber wesentliche Fehler eines Pferdes ausdrücklich in Kauf nimmt, dann sollte das im schriftlichen Vertrag festgehalten werden. Sehr oft spielt bei gerichtlichen Auseinandersetzungen nämlich die Behauptung des Verkäufers, daß der Käufer in Kenntnis eines bestimmten Fehlers das Pferd erworben hat, eine Rolle. Ein Rücktritt, selbst bei Hauptmängeln, ist nicht möglich, wenn der Käufer beim Erwerb gewußt hat, daß das Pferd einen solchen Mangel aufweist. Unser Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kennt zwar das Rechtsinstitut des Kaufes auf Probe, aber so ideal diese Lösung für den zukünftigen Pferdebesitzer ist, so unpraktisch und nachteilig stellt sie sich für den Verkäufer dar. Der Käufer hat während der Probezeit genügend Gelegenheit, das Pferd auf Leistung und Gesundheit zu prüfen und damit die beste Möglichkeit, ohne Enttäuschungen oder Schaden zu einem Pferd zu kommen; er kann das Pferd innerhalb einer vereinbarten Frist ohne Angabe von Gründen an den Verkäufer zurückgeben. Der Kauf auf Probe scheitert meist an den Realitäten. Es gibt kaum einen Verkäufer, der sich darauf einläßt, ein Pferd unter diesen Bedingungen zu liefern, weil er juristisch schon wegen der Gefahrtragung benachteiligt ist. Im übrigen weiß der Verkäufer kaum, was dem Pferd während der Probezeit geschieht. Der Kauf auf Probe sollte aber immer dann möglich sein, wenn der Erwerber von einem verläßlichen Ausbilder beraten und betreut wird. Dieser könnte dem Verkäufer ein Garant für eine faire Abwicklung sein, vor allem, wenn mit der Probezeit zugleich der Verzicht auf weitere Gewährsfristen vereinbart wird. Kein Pferdekauf ohne Risiko Diese Hinweise sollen nicht abschrecken, sondern vorbeugen. Denn ein Pferdekauf ist stets ein Risiko für denjenigen, der erstmalig ein Pferd erwirbt. Die Gefahr eines materiellen und immateriellen Schadens kann der Käufer gering halten, wenn er mit ruhiger und kritischer Überlegung an das Rechtsgeschäft herangeht und sich einem "unbestechlichen" Berater anvertraut. Eberhard Fellmer
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